Hochwassereinsatz im Ahrtal
Kräfte des DRK Sontra im Einsatz bei Jahrhunderthochwasser
+++ Einsatzbericht Teil 1 +++
21.07.2021 - 29.07.2021
Hochwassereinsatz Rheinland-Pfalz Landkreis Ahrweiler
Ein paar Tage nach der Flut wurde ein Helfer von uns durch die Landesverstärkung Hessen alarmiert. Die Landesverstärkung Hessen ist eine überörtliche Einheit des DRK Landesverband Hessen, welche auf Großschadenslagen spezialisiert ist. Dort werden große Mengen an beispielsweise Zelten, Stromerzeugern, Hygiene-Kits, Feldbetten, Decken usw. vorgehalten. Auch Feldküchen oder Trinkwasseraufbereitung sind Teil der Landesverstärkung. Dazu gehört selbstverständlich die dazugehörige Logistik mit diversen LKW und Gabelstaplern.
Nun zum Einsatzbefehl: Aufrechterhaltung Infrastruktur Trinkwasser.
Bei der Landesverstärkung Fritzlar angekommen unterstützte unser Helfer nachmittags noch beim Verladen eines Duschcontainers und half bei diversen anderen Tätigkeiten im Lager.
Am nächsten Morgen, und offiziell ersten Einsatztag, ging es mit Abfahrt 06:00 Uhr direkt ins Schadensgebiet. Angefahren wurde vorerst das Basislager, für die Ablöse der anderen Kammeraden. Nach kurzer Besprechung wurden sie auf die Fahrzeuge aufgeteilt. Unser Helfer wurde als Fahrer für den Axor 1828 eingeteilt, einem sehr Geländegängigen LKW, welcher sich später als vorteilhaft herausstellte. Nachdem das Außenlager direkt in Ahrweiler angefahren wurde, ging es direkt mit der ersten Tour los. Auf dem LKW verlastet ist ein 3.800 l Trinkwassertank mit Generator und für Trinkwasser zugelassenen Pumpe. Damit wurden direkt im Schadensgebiet 1.000 l Trinkwasserboxen angefahren, die regelmäßig gefüllt, überprüft und durch das mitgeführte Labor getestet wurden.
Besonders in den ersten Tagen war diese Aufgabe sehr anspruchsvoll. Die Innenstadt von Ahrweiler war völlig zerstört, die Aufräumarbeiten im vollen Gang. Meterhohe Schuttberge in engen Gassen, überall Helfer und große Maschinen. Beim Rangieren ließen die Schuttberge oft nur wenige Zentimeter Platz, mehrmals musste nach dem Befüllen die enge Gasse von 40m rückwärts rausgefahren werden, dabei waren nur 5cm rechts und 5 cm links Platz. Die Temperaturen hielten sich bei circa 28 Grad und praller Sonne. Bei so vielen Betroffenen und Helfern war die kontinuierliche Trinkwasserversorgung dringend nötig und man hatte Probleme dem Bedarf an Trinkwasser gerecht zu werden.
Ahrweiler war nicht die einzige Route. Die Landesverstärkung hat das ganze Ahrtal hoch sogenannte Combo-Boxen mit 1.000 l Trinkwasser aufgestellt. Mit allen LKW war es möglich täglich über 80.000 l Trinkwasser im Ahrtal zu verteilen. So fuhren diese auch nach Dernau, Marienthal, Rech bis hin nach Schuld, dem mit am stärksten betroffenen Ort. Der Weg in diese Orte gestaltete sich sehr schwierig. In vielen Teilen wurde die Bundesstraße im Tal völlig zerstört, zuwege waren nur über abgelegene Kreisstraßen über die Berge möglich. Das Problem: Oft nur eine Straße für alle! Egal ob für betroffene Anwohner, freiwillige Helfer mit privat PKW, Einsatzkräfte mit schwerem Gerät, Landwirte und Lohnunternehmer oder Einsatzfahrzeuge. Alle mussten die engen teils nicht ausgebauten Straßen und Feldwege nutzen. Nach Mayschoß führte beispielsweise gar keine nutzbare Straße. Ist man durch diese Wege durchgekommen und fuhr ins Tal und die Dörfer rein, lief es einem kalt den Rücken runter. Keine Fernsehbilder können widerspiegeln was für ein Ausmaß diese Katastrophe hat. Ein Pegelstand von teilweise 8 bis gar 10 Metern und einer Art Flutwelle. Oft war es nur noch mit Behelfsbrücken der Bundeswehr oder dem THW möglich Teile mancher Orte zu erreichen. Es waren anspruchsvolle und anstrengende Tage, meistens war man 12 Stunden unterwegs. So war man froh, nach 8 Tage wieder zurückzukehren. Neben Erkundungsfahrten, Lagerarbeiten und Aufbau von Combo-Boxen, verteilte unser Helfer ca. 45.000 Liter Trinkwasser.
An den Wasserstellen unterhielt man sich oft mit Anwohnern. Eine Geschichte schlimmer als die andere. Die Erlebnisse dort waren erdrückend, die Schicksale grauenhaft. Doch der Zusammenhalt und die Hoffnung überwiegten.
+++ Einsatzbericht Teil 2 +++
30.07.2021 - 07.08.2021
„Fliegender Wechsel“. Nachdem unser Helfer nach einer Woche aus dem Einsatz zurückkehrte, wurde unsere ganze Technikgruppe mit weiteren Kräften des Kreisverband Rotenburg a.d.F. einen Tag später alarmiert. Einsatzstichwort hier: Aufbau und Betrieb Versorgungszentrum10.000.
Es galt die Versorgung großer Teile des Ahrtals zu übernehmen. Nachdem in der Gemeinde Grafschaft ein geeigneter Platz gefunden war, galt es die Infrastruktur eines Versorgungsplatz 10.000 aufzubauen. Diverse Zelte, Feldküchen, Küchencontainer, Lager- und Kühlcontainer wurden errichtet und in Betrieb genommen. Strom, Abwasser- und Frischwasserleitungen mussten gelegt werden. Langsam arbeiteten sich die Teams ein, um im Laufe der Woche bis zu 10.000 Essen täglich zu kochen. In Teams eingeteilt halfen unsere Helfer bei der Kaltverpflegung und bei der Logistik, sowie Auslieferung. Diverse Ausgabestellen wurden dabei angefahren und das Essen an Betroffene und Helfer ausgeteilt. Auch hier waren die Tage anstrengend und lang. Oft hatten sie Kontakt mit den Betroffenen und erfuhren von der extremen Gewalt und dem anschließenden Leid durch das Hochwasser, was die Motivation zu helfen nur mehr antrieb. „Es hat so unglaublich gut getan, zu helfen!“.
Nach ca. einer Woche wurde, der vom DRK Landesverband Hessen betriebene Versorgungsplatz an Helfer des Bayrischen Roten Kreuzes übergeben. Es waren 6 Helfer von DRK Ortsverein Sontra im Einsatz und sind alle wohlbehalten zurückgekehrt. Offen ist, ob unsere Helfer nochmal in den Einsatz fahren. Die Trinkwasserversorgung und die Versorgung mit Lebensmitteln und warmen Mahlzeiten wird wohl noch länger nötig sein.
+++ Einsatzbericht Teil 3 +++
03.09.2021 - 11.09.2021
Aufgrund des hohen Bedarfs an Einsatzkräften sind noch einmal 6 Helfer des DRK Sontra, mit weiteren Kräften des Kreisverband Rotenburg a.d.F., zum Verpflegungszentrum 10.000 gefahren. Diesmal lag der Fokus auf der Verteilung von Mahlzeiten und Lebensmittel im Schadensgebiet. Die Aufgaben ähnelten sich dabei dem ersten Einsatz im Verpflegungszentrum. Man wurde erfahrener und routinierte, das war wichtig, da es keine Erfahrungswerte in dem Ausmaß aus vergangenen Einsätzen in Deutschland gab.
Zum Ende hin wurde mittgeteilt, dass wenige Tage nach dem Einsatz unserer Helfer, die Versorgung an örtliche Gastronomiebetriebe übergeben wurde. Diese konnten teilweise ihren Betrieb wieder aufnehmen und waren auf diese Aufträge angewiesen. Die Verteilung und Koordination übernehmen weiterhin Kräfte des DRK.
Wir bedanken uns bei allen weiteren Einsatzkräften aus jeglichen Organisationen für die Zusammenarbeit. Für viele mag es medial so ausgesehen haben, dass vieles nicht funktioniert hätte. Doch vor Ort sah man, dass jede Einsatzkraft 110% gegeben hat und die vorhandenen Mittel nach der "Chaosphase" dieser Hochwasserkatastrophe extrem effizient genutzt wurden. Mehr ging nicht. Ein großes Danke geht selbstverständlich auch in Richtung privater Helfer und Unternehmen, die akut und langfristig auf eigene Kosten helfen und ebenfalls alles geben.
Wir wünschen den Betroffenen alles Gute, den Familien und Freunden der Verstorbenen viel Kraft.